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Die juristische Demontage der demokratischen Bürgergesellschaft

Beispiel Aberkennung der Gemeinnützigkeit kritischer NGOs und das Urteil zu den Hartz IV-Sanktionen

Der Kampf der Seilschaften von Wirtschaft und Politik gegen die demokratische Bürgergesellschaft wird am Beispiel von Attac, der Petitionsplattform Campact und auch an dem Urteil 2019 um die eigentlich verfassungswidrigen Sanktionen im SGB II vor dem Bundesverfassungsgericht deutlich.

Hier werden demokratische Mittel und Regeln gegen die demokratische Beteiligung und Korrektur durch die Bürger und gegen den Sinn einer Demokratie verkehrt. Das alles findet statt, getrieben von den Schatten neoliberaler Reformen, die nur den Reichen und den Konzernen nützen, die Bevölkerung aber weiterhin ökonomisch ausplündern und das durch Existenzdruck durchsetzen.

Und dann, unter den obigen Vorzeichen, das Plakat auf dem Foto (s.U.)

 

Angesichts des Herrn Harbarth (CDU), glühender Freund der Sanktionen im SGB, der drei Wochen vor Klageeinreichung gegen die Sanktionen im SGB am Verfassungsgericht zum Kammervorsitzenden jener Kammer berufen wurde, die zu dieser Klage befinden soll, und Attac, denen auf privates Betreiben durch den Richter am Finanzhof die Gemeinnützigkeit aberkannt würde, während z.B. der neoliberale, sozialschädliche Lobbyverein Bertelsmann-Stiftung nach wie vor sich in der Gemeinnützigkeit sonnen darf, muss man sich fragen ob die dieses Plakat ernst meinen... ist das Realitätsverlust oder schon Propaganda?

Foto: Christian Gielow, 2019

Warum üben Bürger Ihre demokratische Teilhabe nicht selber aus?

 

Man zwingt den Bürger schon nahezu, sich ausserhalb der Parteien zu betätigen. Obwohl eigentlich eine bürgerliche Mehrheit in den Parteien an der Basis vorhanden ist, wird ihr Einfluss der Basis durch ihre Struktur und die Abstimmungsebenen nach oben deligiert. Am Beispiel der SPD ist erklärbar warum die Unterstützung durch die Bürgergesellschaft erodiert. Mit dem Seeheimer Kreis hat sich eine wirtschaftsfreundliche Clique fast aller wesentlichen Schaltstellen innerhalb der SPD bemächtigt - und die setzt ihre Agenda einfach durch - oft gegen eine mehrheitliche Auffassung der Basis. Also suchen sich engagierte Bürger ihre Einflussmöglichkeiten außerhalb der Parteien. Die Parteien, die zu einem Großteil aus Juristen bestehen, argumentieren jedoch und bestehen darauf, dass politischer Einfluss nur den Parteien zu steht. 

 

Die meisten Parteien handeln fast ausschließlich zum Wohle der Wirtschaft und der Vermögenden. Sie handeln gegen die Bürgergesellschaft und die Umwelt. Es ist nur logisch, dass sich engagierte Bürger einmischen, Mißstände beseitigen und die versprochene Macht des Souveräns ausüben möchten. Anstelle der ausgeschlossenen direkt demokratischen bürgerlichen Einflussnahme treten Petitionsplattformen, oder eben Institutionen wie Attac, die ja auch vor dem Entzug der Gemeinnützigkeit ohne direkte Unterstützung durch den Souverän gar nicht hätten bestehen können.

Muss man nicht die Unterstützung solcher Vereine als demokratisches Votum für die vertretenen Themen werten, und ihnen entsprechendes Gewicht verleihen,wenn man wirklich ein guter Demokrat ist?

 

Wie ernst es dem Bürgern mit dem Einfluss ist, zeigt sich an der noch nie da gewesenen Spendenflut an Attac, seit Attac mit einem privat organsisiertem Winkelzug, unter Mißbrauch der jeweils öffentlichen Position, die Gemeinnützigkeit genommen wurde. Währendessen dürfen sich sozialschädliche Lobbyvertretungen wie die INSM oder die Bertelsmannstiftung weiter in derselben sonnen.

 

Es gibt de fakto aus den meisten der Parteien heraus keine Vertretung der berechtigten Interessen der "normalen" Bürger mehr, stattdessen hört man immer vom "berechtigten Interesse", geht es um die Bestrebungungen der Wirtschaft. Könnten darin auch die Gründe für die immer weiter sinkende Wahlbeteiligung und die immer schlechter werdenden Stimmanteile für die großen "Volksparteien" CDU, CSU und SPD zu suchen sein?

 

Zweifel an der Unabhängigkeit der Rechtsprechung - Tatsache oder Konstruktion?

 

Der Fall Attac

 

Wie das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus aufdeckte, spielen im Falle Attac wohl Gefälligkeiten in einem persönlichen Kungel aus Wirtschaft, Politik und dem betreffenden Richter eine große Rolle. Das dürfte in einem demokratischen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung gar nicht passieren.

 

Der für den „Fall Attac“ zuständige Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Rolf Möhlenbrock, und der Präsident des Bundesfinanzhofes (BFH), Rudolf Mellinghoff, sind beide Teil des Vorstandes im wirtschaftsnahen Lobbyvereins „Institut für Steuern und Finanzen“.

Hier wird deutlich wie private Interessen die öffentliche Rolle überlagern, es zu einer Vorteilsnahme und einem Einfluss kommt, Dinge auf diesem Wege durchzusetzen, anstatt den Rechtsweg zu nehmen. Recht wird gebeugt, eine Institution in ihrem Einfluss von Privatinteressen mißbraucht, um einen unliebsamen Gegner loszuwerden, über den sich eine immer größer werdende kritische Masse an Bürgern zu Wort meldet, ihren berechtigten meist Vernunft begabteren Einfluss einfordert, als die Politik und Wirtschaft diesen aufs Parkett zu bringen vermögen.

 

Der Fall Sanktionen im SGB

 

Ende 2018 verwies das Sozialgericht Gotha über eine Richtervorlage eine Entscheidung an das Bundesverfassungsgericht, ob die Sanktionen, also Kürzung eines rechtlich garantierten Mindestexistenzenzminimums, verfassungskonform seien oder nicht. Viele Fachleute, auch Verfassungsrichter, waren sich bereits lange im Vorfeld der Richtervorage aus Gotha einig, dass hier nur eine abschlägige Entscheidung bei heraus kommen, und man die Sanktionen für Unrecht erklären müsse.

 

Wenige Wochen vor der angekündigten Einreichung der Richtervorlage, wurde der Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth (CDU) quasi direkt aus dem Plenarsaal in das Bundesverfassungsgericht gewählt, und wurde ausgerechnet Präsident jener Kammer, die über diese wegweisende Richtervorlage entscheiden sollte und stellvertretender Präsident des Bundesverfassungsgerichtes.

 

Da sowohl SPD als auch CDU-Politiker stark für die Sanktionen sind, wird den "Volksvertreter" seine Berufung nicht schwer gefallen sein, falls nicht sogar Kalkül dahinter zu suchen ist. Er ist nämlich einer der Politiker, der sich massiv an der Erhaltung der Sanktionen beteiligt hat und stets stark dafür verwand. Ist von einem Träger einer solchen Haltung ein Wechsel seiner "Meinung", und mehr ist es nicht, zu erwarten, oder gar Unvoreingenommenheit?

 

Wer ahnt es? Die zu erwartende Aufhebung der Sanktionspraxis kam natürlich nicht zu Stande, immerhin dürfen nun 30% statt bis zu 100% der Zahlungen an Bedürftige einbehalten werden. Man hält also unter zur Hilfenahme aller erdenklichen Winkelzüge an einem neoliberalen Herrschaftsinstrument fest, dass zugunsten der Wirtschaft Billiglöhne durch Steuergelder subventioniert und unter Bruch von Verfassung und Verletzung von Grundrechten systematisch Menschen dazu zwingt, wirtschaftlich nicht tragfähige Arbeit und unsichere Arbeitsverhältnisse in der Zeit- und Leiharbeit anzunehmen.

Um das Erpressungspotential aufrecht zu erhalten, wurden 2019 über 10 Mrd Euro aus Steuergeldern indirekt den Firmen in den Rachen geworfen, während Bedürftigen vermittelt wird, Sie hätten ihre Bedürftigkeit um jeden Preis zu reduzieren und dass es moralisch besser sei seine Haut unter Wert zu Markte zu tragen, als "Faul auf dem Sofa zu liegen" -  Was aber ist am Ende der monetäre und soziale Preis der gesamtgesellschaftlich zu Buche schlägt?

Die wurden unter Gerhard Schröder fast komplett entfesselt, beraten von neoliberalen "Beratern" - übrigens denselben, denen wir immer wieder in der Aufarbeitung der marktradikalen Ideologie begegnen werden.

( ...weiter zum Artikel Hartz IV als neoliberales Herrschaftsinstrument)

Nicht erkennbar systematisch - dennoch gefährlich für eine Demokratie

 

Von diesen Beispielen gibt es zu Viele, geht man davon aus, dass ein Großteil dieser Fälle gar nicht ans Tageslicht kommen. Ob es Nichtregierungsorganisationen trifft, die an die Stelle der vernachlässigten Pflichten der Politik in Sachen Bürgerlobby getreten sind, und denen man gern den Garaus machen würde, seien es verwaltungsrechtliche Winkelzüge, um ein Instrument der systematischen Einschüchterung von Menschen am Leben zu erhalten, welches dazu dient Sie zu günstigen Konditionen der Wirtschaft zur Verfügung halten zu können. 

 

Diese Kungelei auf juristischer, politischer und wirtschaftlicher Ebene, derartig manipulativer Mißbrauch rechtsstaatlicher und juristischer Mittel, stehen ernsthaften Demokraten und einem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht. Vor allem wenn Sie sich in der Selbstgefälligkeit suhlen, dies für sich in Anspruch zu nehmen.


Umso weniger, als wenn man aus der Beobachtung der Wirkweise und der dazugehörigen politschen Rethorik lernt, dass Gefälligkeiten für die Wirtschaft und die Reichen, stets der arbeitende Bürger zu zahlen hat, für eben Den am Ende die finanzielle Schlinge enger gelegt wird.

So etwas erodiert die Glaubwürdigkeit in die "Vertreter" unserer Demokratie und stellt in meinen Augen unter Beweis, dass diese Klasse überwiegend nicht zum Vorbild taugt und die Verfassung, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den SGB II Sanktionen, bestenfalls noch zu 70% Gültigkeit besitzt.

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Links zum Thema Attacke auf Attac:

 

https://www.attac.de/presse/detailansicht/news/gemeinnuetzigkeit-ministerium-und-gericht-an-einem-strang-gegen-attac-1/

https://www.ardmediathek.de/daserste/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3BsdXNtaW51cy8yNmIzMmM5Ny03ZWY3LTQxNGQtYmYwMi1iNTA5NWQ1ZDY3ZDY/

 

https://www.sueddeutsche.de/kolumne/attac-politische-richter-1.3821032

 

https://arbeitsunrecht.de/bundesfinanzhof-privat-unternehmer-und-ihre-lobby-als-wahre-foerderer-des-gemeinwesens/

 

https://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=1&a=11036

 

https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/strafrecht-oeffentl-recht/ngos-unter-druck-auch-compact-verliert-gemeinnuetzigkeitsstatus_204_502892.html

 

Verfassungsgericht Urteil zu Sanktionen im SGB II

 

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-11/stephan-harbarth-bundesverfassungsgericht-andreas-vosskuhle-nachfolge-gewaltenteilung-kritik

 

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-kritiker-werfen-verfassungsrichter-harbarth-befangenheit-vor-a-1248077.html

 

https://www.deutschlandfunk.de/bundesverfassungsgericht-harbarth-zum-verfassungsrichter.1766.de.html?dram:article_id=433909

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen Karsten (Sonntag, 17 November 2019 22:57)

    Im Schoss des Neo- Liberalismus wurde vor allem mit Hilfe von CDU/CSU SPD FDP, der USA und GB schon seit 1945 und später auch mit Hilfe der Grünen und der AfD der Faschismus wieder hoffähig gemacht. Sie haben innerhalb von Deutschland und der EU den Faschismus wieder und weiter aufgebaut. Es gibt genügend Hinweise dafür auch im Internet. Diese BRD war von Anfang an auf Faschismus instruiert. Und genauso sieht heute auch die Rechtsprechung und die Gesetzgebung (erfolgt ja durch den Bundestag) aus. Mich wundert in diesem Zusammenhang schon lange nichts mehr.